Abschied
Wie hab ich das gefühlt, was Abschied heißt. Wie weiß ich's noch: ein dunkles, unverwund'nes, grausames Etwas, das ein schön verbund'nes noch einmal zeigt und hinhält und - zerreißt.
Wie war ich ohne Wehr, dem zuzuschauen, Das, da es mich, mich rufend, gehen ließ, Zurückblieb, so als wären's alle Frauen Und dennoch klein und weiß und nichts als dies:
Ein Winken, schon nicht mehr auf mich bezogen, Ein leise Weiterwinkendes -, schon kaum Erklärbar mehr: vielleicht ein Pflaumenbaum, Von dem ein Kuckuck hastig abgeflogen.
Schon kehrt der Saft aus jener Allgemeinheit, Die dunkel in den Wurzeln sich erneut, Zurück ans Licht und speist die grüne Reinheit, Die unter Rinden noch die Winde scheut.
Die Innenseite der Natur belebt sich, Verheimlichend ein neues Freuet euch; Und eines ganzen Jahres Jugend hebt sich, Unkenntlich noch, ins starrende Gesträuch.
Des alten Nußbaums rühmliche Gestaltung Füllt sich mit Zukunft, außen grau und kühl; Doch junges Buschwerk zittert vor Verhaltung Unter der kleinen Vögel Vorgefühl.
(Rainer Maria Rilke, 1875-1926, deutsch-österr. Dichter)